Glaziologiecamp 2024 am Stilfser Joch in Südtirol
Als wir nach einer achtstündigen Fahrt im Kleinbus und über 20 Kehren endlich auf 2188 m an unserem Hotel auf der Franzenshöhe ankamen, wurden wir sofort vom imposanten Blick auf den fast 3900 m hohen Ortler beeindruckt.
Doch kaum hatten wir uns versehen, starteten wir bereits zu unserer ersten Exkursion ins umliegende Gelände, um einen ersten Eindruck von dem zu gewinnen, was wir in den nächsten Tagen näher untersuchen würden – die Geologie, Glaziologie und Ökologie der Hochalpen.
Mit etwas Verspätung trafen dann auch die Schülerinnen und Schüler aus Südtirol ein, die uns mit ihrer Lebensfreude sofort ansteckten. In Kleingruppen stellten wir uns anschließend einander vor und fanden schnell Gemeinsamkeiten, sei es durch unser Interesse an der Natur, gemeinsame Sportarten oder schlicht den Wunsch, neue Freundschaften zu schließen.
Während des ausgiebigen Abendessens (das Essen war wirklich hervorragend, und es gab Optionen für jede Ernährungsweise!) blieb ausreichend Zeit, um sich weiter auszutauschen. Die Gruppen aus Würzburg und Südtirol vermischten sich sofort, und es entwickelten sich bereits zahlreiche spannende Gespräche.
Am ersten ganzen Tag hatte es früh geschneit, was von allen begeistert kommentiert wurde. Den Vormittag begannen wir mit einer thematischen Einführung zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Woche: Plattentektonik, Glaziologie und Geomorphologie sowie Flora und Fauna. Dazu bekamen wir Arbeitsblätter und Erklärvideos zu einem der Themen, die wir in Expertengruppen bearbeiteten. Am Ende wurde alles in den Stammgruppen zusammengetragen, sodass jeder zum Schluss über jedes der Themen Bescheid wusste. Vom Seminarraum des Hotels aus wurden auch gespannt die Murmeltiere beobachtet, die ihre Bauten direkt auf dem gegenüberliegenden Hang hatten. Nach einem üppigen Mittagessen ging es dann mit dem Bus hoch zum Stilfser Joch auf 2700m. Dort machten wir eine kleine Wanderung unter Einbezugnahme des am Vormittag Erlernten. Der Geologe Christian Aspmair erklärte uns die Gesteinsarten und ihr typisches Aussehen, die wir währenddessen zu Gesicht bekamen. Interessant über das Stilfser Joch ist auch, dass dort die drei Sprachen Deutsch, Ladinisch und Italienisch zusammentreffen, da auf der anderen Talseite die Schweizer Grenze liegt. Im Laufe der Wanderung erfuhren wir mehr über die vorzufindenden Gesteine, ihre chemische Zusammensetzung und wie sie teils unter hohem Druck ihr heutiges Aussehen erlangten. Während des Nachmittags kam der soziale Aspekt dieses Austauschs aber auch nicht zu kurz, denn zwischen den Ausführlichen Erklärungen des Geologen gab es immer wieder Zeit sich während des Wanderns mit den Südtirolern auszutauschen und kennenzulernen. Nach dem Abendessen hatten wir noch eine Einführung von Astrid Ferrari in die Alpintechnik, da wir für den nächsten Tag eine Gletscherwanderung geplant hatten. Sie zeigte uns wie man am besten läuft, wie man die Steigeisen an den Wanderschuh anbringt, wie man einen Klettergurt anzieht und welche Knoten man können muss, da man auf dem Gletscher in Seilschaften geht.
Der Höhepunkt des Camps war für alle die Gletscherwanderung am Mittwoch. Von Sulden aus fuhren wir mit der Seilbahn zur Bergstation Madritsch, um von dort bei bestem Wetter mit den Bergführern den Gipfel der Suldenspitze (3376 m) zu besteigen. In Seilschaften eingebunden und mit Steigeisen ausgestattet, machten wir uns auf den Weg hinauf über den Gletscher. Die beeindruckende Gletscherlandschaft hinterließ bei allen unvergessliche Erinnerungen. Das herausfordernde Gelände und die große Höhe forderten uns körperlich und mental heraus, sodass wir den Abend entspannt ausklingen ließen.
Am Donnerstag begannen wir mit einem neuen Abschnitt des Glaziologie Camps. Der Referent Lukas Neuwirth gab uns einen Einblick in seinen Berufsalltag als Diplomökologe. Wir waren so interessiert an seinem Beruf und Werdegang, dass eine Lehrkraft die Fragestunde beenden musste, um die anderen spannenden Dinge, die für den Tag geplant waren, noch durchführen zu können. Er spielte mit uns ein Planspiel durch, bei dem eine Seilbahn das Stilfser Joch hinaufgebaut werden soll. Wir wurden daraufhin in Teilgruppen aufgeteilt, die sich mit verschiedenen zu berücksichtigenden Bereichen befassen sollten, wie zum Beispiel Wasser oder Boden. Nach dem Mittagessen wurden wir in mehrere Gruppen aufgeteilt, um Flora und Fauna von der normalen Bergvegetation bis hin zum Gletschervorfeld zu untersuchen. Sehr interessant war es für mich, dass im Gletschervorfeld immer noch 13 verschiedene Pflanzenarten zu finden waren, in einem Gebiet, das mit einem Ödland vergleichbar ist. Die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen haben wir am Abend zusammengetragen und festgestellt, dass je weiter wir und vom Gletschervorfeld bewegt haben, es desto mehr Pflanzen - und Tierarten zu finden waren.
Am Freitag begannen wir mit einer Gruppenarbeit. Jeder Gruppe wurde ein bestimmter Teil der am Donnerstag vorgestellten strategische Umweltprüfung zugeordnet. Anhand der am Donnerstag gesammelten Informationen wurden Aussagen über die Sensibilität des Gebiets um die Franzenshöhe mit vielen Argumenten getroffen. Des Weiteren wurde auch die Eingriffsintensität anhand potenzieller Störungen bestimmt. Zuletzt formulierte jede Gruppe Maßnahmen, die beim Bau getroffen werden müssten, um ihrem Teilbereich so wenig wie möglich zu schaden. Nach dem Mittagessen gingen wir gemeinsam ins Gletschervorfeld, um unsere Ergebnisse den anderen Gruppen zu präsentieren. Das war die perfekte Umgebung, da wir die von den Gruppen vorgestellten Aspekte direkt mit eigenen Augen sehen und erleben konnten. Abschließend an diese Simulation wurde eine Abstimmung durchgeführt, ob wir dem Bau einer Seilbahn am Stilfser Joch zustimmen würden. Es kam zu einer einstimmigen Ablehnung. Zurück im Hotel berichtete Lukas Neuwirth uns von der bemerkenswerten Tierwelt Südtirols. Mit zahlreichen Modellen, wie Skeletten, Postern der Tiere in realer Größe und vielem mehr, konnte man zu allen Informationen erneut einen direkten, realen Bezug herstellen und diese festigen. Genau wie an den Tagen zuvor gab es ein reges Interesse und viele Fragen, während der Ökologe über das Vorkommen von Wolf, Luchs und Bär in Südtirol erzählte. Es wurde über die Geschichte der Beziehung zwischen Mensch und Tier gesprochen, der Prozess der Wiederverbreitung besprochen und diskutiert, inwiefern mögliche Gefahren für die Landwirtschaft entstehen könnten. Zu jedem Problem wurde eine Lösung vorgeschlagen, und so fand der Austausch nur schwer ein Ende.
Nach unserem letzten gemeinsamen Abendessen gab es noch eine abschließende Evaluation, die durchweg positiv und emotional war.
Bevor wir unsere letzte Nacht auf der Franzenshöhe genossen, spielten wir noch eine abschließende Runde Werwolf, bei der wir zwei Studenten, die auf der Franzenshöhe im Gastronomiebereich arbeiten, überreden konnten, mitzumachen. Es war ein sehr lustiger und interessanter Abend, bei dem nochmals deutlich wurde, welche tollen Freundschaften durch diesen Austausch entstanden sind.
Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.
Liam Amend, Magdalena Diankov, Antonia Karakoc, Lilly Roth und Manuel Sahlmüller (Q12), Christian Kohl (Kursleiter und Begleitlehrkraft)
14.10.2024